Über die Freundschaft


Freundschaftlich vertilgtes Eis in Dangast
Freundschaftlich vertilgtes Eis in Dangast

Die Freundschaften, die ich führe, sind alle sehr unterschiedlich. Zumindest rein oberflächlich betrachtet. Manche meiner Freunde wohnen so weit entfernt, dass uns seit Jahren die persönliche Begegnung versagt blieb. Wir haben nur Skype. Die Freunde in Italien sehe ich immerhin im Urlaub. Einige wenige wohnen in meiner Nähe - aber da heute alle wieder beruflich flexibel sein müssen, weiß man nie, wie lange das so bleibt. Und die meisten von ihnen sehe ich aus genau demselben Grund ebenfalls viel zu selten. Der Großteil meiner Freunde ist sich nie begegnet, nicht mal an meinem Geburtstag kriege ich alle zusammen auf einen großen Haufen. Was den Vorteil hat, dass mein Ehrentag sich durchaus mal auf Wochen ausdehnt und viele kleine Zweipersonen-Feiern und Bescherungen mit sich bringt. Da ich bekanntlich immer von zu vielen Menschen auf einmal völlig überfordert bin, passt mir das auch ziemlich gut in den Kram.

 

Die wenigsten meiner Freundschaften sind quasi uralt und ziehen sich bereits über Jahrzehnte. Dafür sind diese aber eine außerordentliche Ehre. Sie sind getragen von Liebe, Respekt, offenen Worten, dem Nachgeben an der richtigen Stelle und der Sorge um das gegenseitige Wohlergehen. Von diesen Menschen habe ich gut die Hälfte dessen gelernt, nach dem ich heute neue Freunde wähle. Diese sind noch nicht alle dem Ernstfall ausgesetzt gewesen - aber ich glaube, dass sie genau wie die alten nicht nur mit mir durch den Sonnenschein gehen. Sie werden auch meine Tränen und meinen Schmerz teilen, wenn es nötig sein wird.

 

Nicht nur das gehört zu meiner eigenen Definition von Freundschaft. Ich umgebe mich gern mit Leuten, die ich für intelligent halte. Es gefällt mir, wenn man sein Wissen teilt und nicht bei einem Treffen nur Klatsch und Tratsch austauscht. Ein neugieriger Geist, Weltoffenheit, Gutherzigkeit, Loyalität zur richtigen Zeit - auch alles Punkte, die mich zu anderen hinziehen. Ich mag Leute mit scharfem Galgenhumor, der dadurch entstanden ist, dass sie auch ein wenig von den schlechten Seiten des Lebens erfahren haben. Solche Menschen tragen in sich nämlich eine besondere Wertschätzung, wenn ihnen das Universum dann wieder gut gesonnen ist. Die größte Schwäche habe ich für diejenigen, die nicht eine Norm passen und bei denen mein Schubladendenken schlicht nicht funktioniert. Gemeinsam der Konvention zu trotzen ist super. Kommen alle bisher genannten Eigenschaften zusammen, hat das Potenzial für eine Ewigkeit. Aber auch so etwas endet hin und wieder, das muss man eben fressen.

 

Und dann waren da in der Vergangenheit noch diejenigen, die ich noch nicht sorgfältig ausgewählt hatte. Jeder durchläuft im Kontakt mit seinen Mitmenschen unvermeidliche Enttäuschungen, und alle ziehen für sich daraus ihre eigene Lehre. Meine ist wie folgt: ich versuche auch dankbar für die zu sein, die mir Schmerz zugefügt haben. Denn von ihnen habe ich gelernt, rigoros diejenigen von den Ästen meines Lebensbaums zu sägen, die zu viel Kraft aus dessen Wurzeln ziehen. Sie haben mir beigebracht, mich nicht aus lauter Angst vor dem Alleinsein mit Arschlöchern zu umgeben. Ihretwegen gibt es heute Dinge, die ich nicht dulde, ich besitze quasi eine persönliche Keinesfall-Skala.

 

Ganz oben stehen Gewalt und Verrat. Allein der Versuch macht jemanden zur persona non grata. Energie-Vampire, die einen ständig entmutigen, weil sie nie an sich selbst oder andere glauben, werden aus jeglichem Freundschaftsdienst entlassen. Menschen, die meine Wünsche und Träume ins Lächerliche ziehen, sind auch kein Verlust. Stetig mangelnde Wertschätzung funktioniert ebenfalls nicht. Und wer andere dauernd im Stich lässt, obwohl er jede Möglichkeit hat, zu helfen, ist gleich untendurch. 

 

Ich versuche selbst, nicht so zu sein wie diese Leute, sondern mehr wie die oben beschriebenen Freunde. Es ist mir nicht immer gelungen. Manchmal war ich diejenige, die abgesägt wurde. Gelegentlich habe ich mir das sogar quasi in höchsten Ehren verdient. Ich habe mich bemüht, auch daraus zu lernen und mein Wesen hoffentlich dadurch verbessert. Die Essenz aus all dem ist, dass ich lernen musste, mehr allein sein zu können. Fühle ich mich aber deswegen einsam? Die Antwort ist ein deutliches nein.

 

Die Menschen, mit denen ich dann am Ende in Kontakt bleibe und meine Zeit so oft wie möglich verbringe, sind diejenigen, die mein Herz als die Guten erkannt hat. Und wer eben gehen muss, macht Platz für Neues. So bleibt der "äußere Freundeskreis" immer hübsch abwechslungsreich, während sich im Kern die ganz raren Immerwährenden erhalten. Aber stets bleibt die Gewissheit, dass die gemeinsame verbrachte Zeit wenigstens Qualität hatte. Man war nicht nebeneinander einsam - und das ist es, worum es letztlich geht.



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