Isola Bella - stolze Königin des Sees


Rückansicht der Insel
Rückansicht der Insel

Gebt es zu, Ihr seid drauf reingefallen - als ihr den Titel gelesen habt, dachtet Ihr, dass es "schöne Insel" heißt. Der deutsche Wikipedia-Artikel behauptet das auch eingangs, dem ist in diesem Fall aber nicht so. Tatsächlich widmete Carlo Borromeo III auf diesem einst kargen Fischer-Eiland namens Inferiore seiner Ehefrau Isabella D'Adda einen Palast und fortan hieß es Isola Isabella. Erst mit der Zeit verzichtete man auf die Vorsilbe und nach und nach gingen die Italiener dazu über, sich dieses schöne Wortspiel zu eigen zu machen und die Insel nur noch Isola Bella zu nennen. Heute besteht sie zum größten Teil aus dem Palazzo Borromeo und den dazugehörigen Gartenanlagen. Von denen erzähle ich Euch nur wenig - erstens könnt Ihr das in jedem x-beliebigen Reiseführer nachschlagen, zweitens habe ich "nur" den Rest gesehen.

 

Da ich noch keinen Mäzen habe und Kunst oft so gar kein finanzielles Polster aufbauen hilft, reise ich immer mit extrem wenig Geld. Bevor ich also irgendwo 13 Euro Eintritt zahle statt am Strand eine Pizza zu essen, muss schon ganz schön was aufgefahren werden. Ich bin auch fast sicher, dass es keine lebensverändernde Erfahrung für mich wäre, einen weiteren königlichen Garten gesehen zu haben. Mal ganz abgesehen von den unglaublichen Touristenmassen, die sich da tummeln. Denen kann man leider auf der gesamten Insel nicht ausweichen, auch nicht ganz am Ende der Saison. Aber da muss man dann eben durch oder diese Tour auslassen.

 

Vorderansicht der Insel
Vorderansicht der Insel

Der Palazzo fällt natürlich als erstes ins Auge, auch schon von weitem. Der Mailänder Baumeister Angelo Crivelli begann 1632 im Auftrag Carlo III also mit dem Bau, wegen der Pest aber mussten die Arbeiten Mitte des 17ten Jahrhunderts eingestellt werden. Erst die Söhne Carlos, Kardinal Giberto Borromeo III und Vitaliano Borromeo VI, gaben den Auftrag zur Vollendung, und zwar an den berühtmen römischen Architekten Carlo Fontana. Erst 1671 schließlich wurden die Gärten von Carlo Borromeo IV, des Dritten Enkel, eingeweiht. Rauschende Feste fanden hier statt, die Crème de la Crème der High Society und Adelshäuser war in der Anlage zu Gast und gab sich die Klinke in die Hand.

 

Wie immer, wenn ich so etwas sehe, war ich hin und her gerissen. Zum einen möchte man natürlich vor der Leistung der Architekten und Handwerker seinen Hut ziehen. Und ich war unweigerlich davon beeindruckt, wie viel Geld eine einzelne Familie haben kann, um sich leisten zu können, solche Anwesen über Jahrhunderte in Besitz zu halten. Noch immer gehört die Insel diesen Superreichen, und der Teil des Sees, in dem sie liegt, heißt selbstverständlich Golfo di Borromeo. Aber bei aller Bewunderung, es breitete sich doch auch ein kleiner bitterer Nachgeschmack aus - beim Gedanken daran nämlich, wie die Mächtigen hier Parties geschmissen haben, während auf der gegenüberliegenden Isola Dei Pescatori und um den See herum die armen Leute hungerten und kaum ihre Familien über Wasser halten konnten. Ein bisschen wütend macht mich sowas irgendwie auch immer.

 

Lässig
Lässig

Um dieses Gefühl zu vermeiden, richtete ich mein Augenmerk nun auf das Dörfchen, das sich an den vorderen Teil des Palazzo schmiegt und das zum Teil älter ist als Palast und Garten. Hier gab es allerlei zu bestaunen. Natürlich erst, als ich an den unvermeidlichen Souvenir-Ständen vorbei war. Zunächst mal fiel auf, dass es scheinbar nur schwarze Katzen gab. Ich will nicht behaupten, dass keine andersfarbigen dort herum laufen - aber ich habe keine gesehen. Die Tiere waren leider relativ scheu und wollten ziemlich eindeutig in Ruhe gelassen werden, so konnte ich keine Streicheleinheiten verteilen. Aber in jedem Fall sahen sie cool aus, während sie einigermaßen lässig durch die schmalen Passagen tigerten und einem hin und wieder aus gelben Augen spöttische Blicke zuwarfen. 

 

Wie fast überall in Italien gab es auch auf dieser Insel eine Unmenge an Kunst, teils öffentlich an den Wänden der Häuser, teils ein wenig versteckt. Unter anderem in einem der schönsten Geschäfte, in dem ich je gewesen bin. Die Besitzerin war auch zugleich die Erschafferin zauberhafter kleiner und farbenfroher Stauen, sie rahmte Spiegel individuell ein und verkaufte auch sonst so einiges Sehenswertes. Fotografieren durfte ich leider nur den Wolpertinger vor der Tür, an dem ich mich heute orientieren müsste, um den Laden wieder zu finden - den Namen habe ich nämlich vergessen. Nicht aber die fröhliche Atmosphäre.

 

Typische Hausfassade
Typische Hausfassade

Einige wenige Menschen genießen das Privileg, hier dauerhaft zu wohnen. Und natürlich habe ich mir so einen gesucht und mit ihm ein holperndes Gespräch geführt. Meine Italienischkenntnisse beliefen sich damals eigentlich nur auf ein paar Basisbegriffe, aber irgendwie funktioniert es doch immer. Man muss nur wollen. Meiner Erfahrung nach wollen Italiener immer reden, und ich selbst bin nun auch kein stilles Wasser. Der alte Herr, mit dem ich sprach, lebte schon lange hier, fast sein gesamtes Leben. Er war früher mit dem Schiff zur Schule auf dem Festland gebracht worden. Hatte Hochwasser erlebt, die fast die gesamte Insel fluteten. Hatte im Sturm auf der Terrasse des Palazzo gestanden. Hatte in aller Stille die Sonnenauf- und -untergänge betrachtet, wenn die Touristen wieder weg waren. Hatte hier geheiratet und seine eigenen Kinder groß gezogen. Seine Frau war bereits tot, der Nachwuchs in der Großstadt - und doch war er ein kein bisschen traurig. Seine Begeisterung für "seine" Insel war spürbar und ansteckend und er erging sich (vermutlich) in detailreichen Beschreibungen, von denen ich nicht viel verstand. Richtig klar wurde mir nur eines: er würde hier bleiben, bis er seinen letzten Atemzug tat und war glücklich darüber, einen so besonderen Wohnort zu haben.

 

Über alte Treppen und durch antike Torbögen setzte ich meine Wanderung durch das Dorf fort. Obwohl die Häuser meist aus grauem Stein waren, fehlte es nicht an fröhlichen Klecksen Farbe auf jedem Meter des Weges. Ein quietschgelbes Boot in einem privaten Garten. Eine leuchtend blau und mit Fischen bemalte Terrasse eines Restaurants. Eine zartrosa bemalte Kirche mit einem spektakulärem Altar aus Marmor. Ein uraltes Mosaik, dass an die alte lokale Tradition der Keramikherstellung erinnerte. Bunte Blüten in jedem Fensterrahmen. Und die oben erwähnte öffentliche Kunst an den Hauswänden. Davon kann ich einfach nie genug bekommen, egal in welchem Ort am See ich bin. Weil die Italiener diese Hinterlassenschaften ihrer Ahnen so lieben und schätzen, kümmern sie sich auch gut darum. Dementsprechend wenig hat die Zeit ihnen anhaben können. Es scheint, das ganze Land sei ein gigantisches Freilichtmuseum - mit dem Unterschied, dass man hier die Werke berühren darf. Vielleicht ist es ja nur Einbildung, aber ich glaube immer, ein wenig vom sanften Wind der Kunstgeschichte unter meinen Händen zu spüren. Und wenn ich meine Finger über ein Wandgemälde gleiten lassen darf, das Jahrhunderte überdauert hat, fühle ich mich inspiriert.

 

Außenterrasse des Palazzo Borromeo
Außenterrasse des Palazzo Borromeo

Nun war nicht mehr viel übrig, das ich noch nicht gesehen hatte. Die Außenterrasse des Palazzo war noch zugängig, ohne dafür Eintritt zahlen zu müssen - und ganz allein dafür lohnt sich schon, auf der Insel vom Boot zu gehen. Zum einen hatte sie gigantische Ausmaße, ich kam mir ganz winzig vor. Zum anderen war der Ausblick auf die drei Nachbarinseln schlicht überwältigend. Rechts von mir war die Isola Madre, einige Kilometer entfernt. Aber direkt vor der Bella liegen noch die winzige unbewohnte Isola D'Amore und dahinter die Isola Dei Pescatori, von der ich beizeiten auch noch erzählen möchte. Ich habe mir sagen lassen, dass in manchen Wintern der Wasserstand so niedrig ist, dass aus der Kette von drei Inseln ein einziges großes Eiland wird, mit eigenen Augen gesehen habe ich das jedoch nie. Man kann die Terrasse an ihrem Ende verlassen und sich auf den felsigen Strand vor ihr begeben, der voller Muscheln liegt, ein Hinweis auf die hervorragende Wasserqualität des Lago Maggiore. Dort war die Aussicht nach nebenan meines Erachtens noch ein bisschen besser - da stand nämlich niemand mehr vor einem. Die Isola Dei Pescatori ist unfassbar bunt und ihre Farben erstrahlten regelrecht im Licht dieses Oktobertages. Links hinter ihr schaut man auf Baveno und sein Grand Hotel am Strand, rechts führt der Blick nach Verbania. Dahinter erheben sich der Monte Rosso, der Monte Castello, der Mont'Orfano sowie der Monte Mottarone. Weit weg von mir, rechts über den See hinweg, ragte der Monte Sasso Del Ferro in die Höhe und half mir, meinen "Heimathafen" Laveno Mombello zu lokalisieren.

 

An dieser Stelle war ich gefühlt ganz für mich allein, obwohl die Luft von Stimmen in allen Sprachen schwirrte. Ich lief so weit ins Wasser wie es angesichts der einigermaßen niedrigen Temperaturen ging und verarbeitete ein wenig die Eindrücke dieses prächtigen Nachmittags. Auf dem Rückweg zur Schiffsanlegestelle entdeckte ich noch eine kleine Besonderheit. Die Pflanzen auf dem Geländer der Terrasse, die man auch oben im Bild sieht, waren nicht echt. Sie sind für die Ewigkeit gemacht worden - aus Stahl. Ich hoffe, dass ich die Isola Bella eines Tages mal im Spätherbst erleben kann, wenn die regulären Schiffe sie nur noch zwei Mal täglich für die Einheimischen anfahren, die Ströme an Reisenden nicht mehr durch die Gassen pulsieren und wenn außer Wind und See dort nichts zu hören ist. Oder im Winter, wenn die Luft den ganzen Tag leicht rosa gefärbt ist und feiner Nebel über dem Wasser liegt wie eine Daunendecke.

 



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