Ein paar Stunden Heidelberg


Teil des Schlosses und ein Blick über den Neckar
Teil des Schlosses und ein Blick über den Neckar

Leider habe ich in Heidelberg nur einen halben Tag verbracht, aber zumindest reichte es, um einen ersten Eindruck von dieser Stadt am Neckar zu bekommen. Hierhin verlegte Konrad, der Staufer, seines Zeichens Pfalzgraf bei Rhein im Jahr 1182 den Sitz seiner Residenz. Aus jener ersten Burg, die hierfür errichtet wurde, entwickelte sich bis ins 17te Jahrhundert hinein das Schloss Heidelberg. Während des Dreißigjährigen Krieges und des Pfälzer Erbfolgekrieges gelang es französischen Truppen in mehreren Anläufen, große Teile der Residenz zu zerstören und die Pfalzgrafen wanderten nach Mannheim ab. 1764 schlug der Blitz gleich zwei Mal in die Ruine ein und entfachte einen Großbrand, der das Zerstörungswerk vollendete. Etwa im Jahr 1900 wurde heiß um einen Wiederaufbau des Schlosses diskutiert. Letztlich entschied man aber zugunsten der Denkmalpflege. Nur der Friedrichsbau erlebte eine Renaissance. Alle anderen Überreste des Schlosses werden als Ruine erhalten.

 

Ich war hier, weil ich mich am Lago Maggiore mit einem deutschen Pärchen aus dem Schwarzwald angefreundet hatte und sie nun für einige Tage besuchte. Auf dem Plan stand eben auch ein Ausflug nach Heidelberg mit der Dame des Hauses. Wir waren nur so kurz dort, weil wir auf der Hinfahrt in einem massiven Stau standen. Darüber könnte ich mich ärgern, ich hätte ja im Grunde lieber mehr von diesem poetischen Ort gesehen als von der Autobahn dorthin. Aber meine Gastgeberin und ich haben das Beste draus gemacht, unsere Lieblingslieder aus dem Radio laut mitgeschmettert und über viele Albernheiten gelacht, die ich heute gar nicht mehr benennen könnte. So war es nicht total ätzend und es drehte sich nicht alles darum, dass wir nicht schnell voran kommen. Wenn man schon im Stau stehen muss, dann bestenfalls mit jemandem wie meiner Begleiterin - die es mit Humor nahm.

 

Außenmauer des Schloss Heidelberg
Außenmauer des Schloss Heidelberg

Eigentlich war das Schloss gar nicht unser erstes Ziel, aber da es so wichtig für die Stadt ist, dass es als einleitender Text herhalten musste, erzähle ich eben in der falschen zeitlichen Abfolge. Ich wusste auf den ersten Blick, dass die Ruine fortan zu meinen liebsten Orten in der Bundesrepublik zählen würde. Der rote Neckartäler Sandstein wirkte wie gemalt in der herbstlich gefärbten Oktober-Landschaft achtzig Meter über dem historischen Ortskern und dem Fluss. Hoch in den Himmel ragende Mauerfragmente mit ausgebrochenen Fenstern. Zerstörte Wehrtürme, aus denen Grünpflanzen ragten. Geheimnisvolle Räume hinter vergitterten Toren im großen Park. Umgeben war diese Pracht von einem hochherrschaftlichen Villengebiet. Um den Schlosshof betreten zu können, musste man Eintritt zahlen. In diesen sieben Euro waren außerdem noch einige andere Dinge inbegriffen. Die Bergbahn - eine 1907 eröffnete Tunnel-Seilbahn, die einen in die Altstadt hinunter und auf den Gipfel des Königstuhls hinauf bringt. Man konnte das Große Fass besichtigen, das vierte seiner Art. Das erste fasste 130.000 Liter und diente der Aufbewahrung des Zehntweins der Pfalz. Es wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört und seitdem drei Mal ersetzt. Das haben wir uns nicht angesehen, aber dafür einen uralten und zig Meter hohen Holzofen. Überdies hätten wir noch in das Deutsche Apothekermuseum gehen können, aber die Zeit reichte nur für einen Blick von den Terrassen hinunter auf die Stadt und einen kurzen Abstecher in den unvermeidlichen Souvenirladen. 

 

Es gab eigentlich nur einen Wermutstropfen, nämlich dass die Ruine gerammelt voll mit Menschen war. Ich bin sicher, zu anderer Stunde hätte sie geradezu magisch wirken können. Ich wünschte, ich könnte diesen Ort mal für eine winzige Weile für mich haben, vielleicht zum Sonnenaufgang an einem Morgen im Spätsommer. Mal den Hauch der Geschichte um meine Nase wehen lassen, ohne dass die Luft von den Gesprächen vieler flirrt. Mal die Augen und die Kamera auf Details zu richten, die man unter der Flut der Leiber kaum sieht. Mal der Stille eines rosa-farbenen Morgennebels über den Hügeln des Odenwaldes und des Neckars lauschen. Ich beneide die wenigen Menschen, die in den Genuss solcher Momente kommen und wünsche mir für sie, dass sie sich dieses Privilegs bewusst sind und es so oft wie möglich nutzen.

 

Marktplatz
Marktplatz

Zugegeben, wir haben zu wenig vom Schloss gesehen - ich könnte da sicher eine ganze Woche am Stück mit Fotografieren verbringen - aber die Zeit drängte und wir wollten immerhin noch die Altstadt wenigstens oberflächlich erkunden. Wir nahmen die Bergbahn nach unten und kamen fast direkt am Marktplatz an. Von dort wanderten wir viele uralte Winkel ab. 1693 wurde die Altstadt aus dem 13ten Jahrhundert im Pfälzer Erbfolgekrieg zertört. Sie wurde später im Stil des Barock auf dem mittelalterlichen Grundriss neu aufgebaut. Leuchtend bunt sind die engen Gassen, und voller Leben. Rund um die Heiliggeistkirche fanden sich einige kleine Stände, ein paar Straßenkünstler gaben ihre Talente preis und überall lag der Duft nach Kaffee in der Luft. Prachtvolle Häuser mit unfassbaren Mengen an dekorativen Verzierungen säumten unseren Weg - stumme Wächter mit zahnlosen Mündern, die auf die Fußgänger hinabschauten oder türkis-farbene und mit Efeu überdachte Fensterläden an kleinen weißen Fachwerkhäusern. Ein Traum für detailverliebte Fotografen.

 

Nach einem ausgezeichneten Mahl bestehend aus Hot Dogs und Pommes ging es dann noch an die Neckarstaden. Mich zieht es immer ans Wasser, was soll ich machen? Die Hügel am gegenüberliegenden Ufer hatten bereits ihr feinstes Herbstkleid angezogen, das Laub sammelte sich in den kleinen Wellen des Flusses und wir schauten während unserer Zigarettenpause auf die wenigen Schiffe, die an diesem Tag verkehrten. Da wir noch Pläne für den Abend hatten, mussten wir Heidelberg bald darauf leider auch wieder verlassen. Schade eigentlich, hier hätte ich gut gerne noch eine ganze Zeit lang bleiben können.

 

Ehemaliges Gasthaus auf dem Königstuhl
Ehemaliges Gasthaus auf dem Königstuhl

Zu erzählen bleibt aber noch der eigentliche Anfang unserer kleinen Tour - und der führte auf den Gipfel des Königstuhls. Die Aussicht war schon ziemlich hübsch, aber was mich viel mehr in den Bann zog, war ein leer stehendes Gasthaus. Eine Tür stand offen, und ich konnte nicht anders als meiner Neugierde nachgeben und ein paar kleine Blicke riskieren. Es muss mal ein wunderbares Etablissement gewesen sein, ich könnte verstehen, wenn viele Einheimische dem nachweinen würden. Im Innern fanden sich reich verzierte Holzvertäfelungen und noch ein, zwei Bauernschränke. Sonst war nicht mehr viel da. Durch die zerbrochene Fensterfront eines ehemaligen Schankraums blickte man in das Tal und den verhangenen Himmel. Hier und da wehte noch eine Gardine im Wind. Ich fand das herzzerreißend, dies war ein Ort, der voller Lachen sein sollte. Die Geräuschkulisse rauschender Feste sollte hier vom Berg klingen. Stattdessen gab es nur das Flattern von Absperrband in der morgendlichen Brise. Welch tragische Geschichte wohl hinter diesem Bau steckt?

 

Heidelberg ist eine der wenigen deutschen Städte, die mich zurück zu sich rufen und die ich unbedingt näher kennen lernen möchte. Ich freue mich darauf, diesen Ort auszukundschaften, Einheimische auszufragen und ein paar Tage lang das Letzte aus meiner Kamera zu holen.

 



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