Lago D'Orta - ein kleiner Bruder des Lago Maggiore


Sicht auf die Isola San Giulio vom Santuario della Madonna del Sasso
Sicht auf die Isola San Giulio vom Santuario della Madonna del Sasso

Wenn man vom Lago Maggiore schon einiges kennt, lohnen sich auch immer mal wieder Abstecher an seine kleinen Brüder. Einige von ihnen habe ich bereits besucht. Sie haben für mich nicht genau denselben Zauber wie mein so innig geliebter See, aber sie entbehren nicht einer ganz eigenen Magie, der man sich ruhig auch mal hingeben kann. Ich beginne mit dem Lago D'Orta nicht unbedingt, weil ich ihn von all den kleineren am Schönsten finde, sondern weil mir heute Abend die Fotos von einem Winterausflug dorthin vor die Augen gekommen sind. Diese Jahreszeit ist sehr besonders an den nord-italienischen Seen. Es sind erheblich weniger Menschen unterwegs, was auf jeden Fall zu meinem Wohlbefinden beiträgt. Darüber hinaus aber ist der Winter dort nicht so furchtbar grau wie in Norddeutschland. Die Farbpalette ist nicht unbedingt kleiner als im Sommer, aber sie ist sanfter und oft ist der Tag nur in zartes, fast zerbrechlich wirkendes Licht gehüllt. Als läge ein Weichzeichner über der Landschaft.

 

Die Uferpromenade von Pella
Die Uferpromenade von Pella

Meine Gast-Eltern, wie ich meine Lieblingsgastgeber ehrenhalber nenne, hatten mich in jenem Januar nach Pella gebracht. Diesem Ort sagt man nach, dass ihm die Sehenswürdigkeiten fehlen. Ihr könnt Euch vorstellen, dass das in meinen Augen nicht so ist. Es ist eine alte Stadt, sie existiert bereits seit dem vierten Jahrhundert. Sie hat unzählige Wandel überstanden und sich nach der Industrialisierung zu einem Zentrum für die Produktion von Sanitärartikeln, inbesondere Wasserhähnen gemausert. Wenn Ihr je luxuriöse und kunstvoll gefertigte Wasserhähne gesehen habt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie aus Pella stammen. 

 

Die Anzahl der Bausünden, die man in einem solchen Ort erwarten könnte, hält sich allerdings in Grenzen. Neben entzückenden kleinen Fischer-Häuschen am Ufer findet man einen mittelalterlichen Turm, der einst zur Wehranlage der Stadt gehörte. Die malerische Promenade endet in einem kleinen Park. Von jeder noch so kleinen Aue hat man einen exklusiven Blick auf die Isola San Giulio. Der kleine Fluss Pellino fließt hier in den See und kann über die malerische Ponte Romano überquert werden. Sie stammt - wie die Chiesa Sant'Albino, eine Kirche, zu der die Brücke führt - aus dem 16ten Jahrhundert. Eine kleine Besonderheit am Rande: der Turm von Sant'Albino wurde erst 1936 angebaut. Es gibt auch noch ein weiteres ungewöhnliches Gotteshaus, die Chiesa San Filiberto. Diese stammt aus dem 11ten Jahrhundert ist zweifellos eine der ältesten am Lago D'Orta. Den Weg zum Portal markieren 14 einzelne Kapellen in Form eines Kreuzwegs. Allerdings habe ich diese beiden Kirchen noch nicht mit eigenen Augen gesehen.

 

Santuario della Madonna del Sasso
Santuario della Madonna del Sasso

Wohl aber eine andere, auf einem Felsen 300 Meter über der Stadt - das Santuario della Madonna del Sasso. 1730 bis 1748 errichtet, thront es in exorbitanter Lage und wirkt auf den ersten Blick kaum besonders. Von der Sicht des Kirchenhofes auf den See mal abgesehen. Aber sie beherbergt eines der unfassbarsten 3D-Kunstwerke, die ich je gesehen habe. Dieses wurde etwa um 1760 erschaffen und ziert die Decken der Kirche. Je nachdem, wo man steht, scheinen andere Elemente dieser spektakulären Fresken hervorzutreten. Die Liebe zum Detail, die der Künstler hier offensichtlich an den Tag gelegt hat, ist mindestens beeindruckend. In meinen Augen ist das etwas, das man unbedingt gesehen haben muss. Hat man allerdings Pech und erwischt in seinem Urlaub eine Regenphase, bleibt man außen vor. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Schild am Eingangstor verkündet "Nessun sole, non aperto" - "Keine Sonne, nicht geöffnet". 

 

Meine Gast-Eltern und ich kamen übrigens in den Genuss der Begegnung mit einem redseligen kleinen Pfarrer, vom hohen Alter gebeugt und mit leiser Stimme sprechend. Er war von den Kunstwerken in seinem Gotteshaus derart begeistert, dass er zu Gesprächen über Glauben gar nicht erst kam. Außerdem konnte er einige Worte Deutsch und war glückselig, dass er sie anwenden konnte - das ist etwas, was mir bei Italienern noch nicht oft begegnet ist. Zum Abschied flötete er mir ein "Auf Wiedersehen, liebes Fräulein" hinterher. Es kommt nicht so häufig vor, dass ich einem Pfarrer Charme abgewinnen kann, aber hier war das eindeutig der Fall.

 

Blick auf die Isola San Giulio von Orta San Giulio
Blick auf die Isola San Giulio von Orta San Giulio

Ich bin auch in einem Sommer mal am Lago D'Orta gewesen. In diesem Fall in dem eher touristischen Orta San Giulio. Allerdings habe ich dort nicht wirklich viel gesehen. Ein Blick auf die völlig überlaufene Uferpromenade reichte mir, um stattdessen nach einem eher unbelebten Stück Strand zu suchen. Das nebenstehende Foto entstand an diesem Tag - und das ist eine lustige kleine Geschichte. Ich war dort mit einem Freund aus Deutschland, und wir hatten unseren Dreh- und Angelpunkt natürlich am Lago Maggiore. An jenem Tag schnallten wir die Räder aufs Auto und fuhren los. Irgendwo am Stadtrand von Orta San Giulio hielten wir, um uns etwas zu essen zu kaufen, dass wir mit an den See nehmen wollten. Das Lokal war wirklich hübsch und einladend. Eine altertümliche hölzerne Einrichtung, eine Unzahl an Schirmen an der Decke, freundliches Personal. Leider war das Essen furchtbar. Alles in allem habe ich in Italien nur zwei Mal etwas serviert bekommen, das für mich in die Kategorie "nicht essbar" fällt. Das war eins dieser Male. Ich weiß nicht mehr, was wir im einzelnen bestellt hatten - aber es schmeckte sowieso alles gleich. Fleisch und Gemüse hatten das sehr widerstehliche Aroma von sechs Jahre altem Frittierfett. Aber der Hunger trieb es rein und zunächst hatte das auch keine Folgen.

 

Wir blieben noch die kurze Zeit bis Sonnenuntergang an dem Strand, den wir gewählt hatten  - und dann wurden wir Opfer einer hinterhältigen Attacke von etwa einer Milliarde winziger blutrünstiger Mücken. Leider reagiere ich auf den Speichel von Mücken allergisch. Das ist nicht gefährlich und kein Drama, aber lästig und so mussten wir zunächst die Flucht zum Auto antreten. Etwas Salbe schmieren später stiegen wir an anderer Stelle nochmal aus dem Auto, um das oben gezeigte Foto zu machen. Die erleuchtete Insel auf dem See ist ein zu grandioser Anblick, um diese Gelegenheit verstreichen zu lassen. Inzwischen aber hatte mein Magen beschlossen, dass sich das fiese Essen und die überhastete Flucht mit dem Rad bergauf zum Parkplatz nicht vertrugen. Mit dem Takt der Brandung fühlte ich es in meinem Inneren schwappen. Tapfer gelang es mir noch, das Stativ aufzustellen, die Kamera zu montieren und den Selbstauslöser einzustellen - und dann fütterte ich die Enten dieses Gewässers auf individuelle Weise über das Geländer hinweg, an dem ich stand. So schön das Foto ist, ich habe irgendwie immer einen bitteren Geschmack im Mund, wenn ich es sehe. 



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