Der grandiose George Carlin


Foto:  (cc) von "Jesus is coming... Look busy", George Carlin bei seinem letzten Auftritt im Jahr 2008
Foto: (cc) von "Jesus is coming... Look busy", George Carlin bei seinem letzten Auftritt im Jahr 2008

George. Er ist über seinen Tod im Jahr 2008 hinaus einer meiner Helden geblieben. Ich nenne ihn nicht aus Respektlosigkeit beim Vornamen, sondern weil er selbst sich nie Mister Carlin nennen ließ. Es missfiel ihm. 

 

George Carlin war ein waschechter New Yorker. Er war Schauspieler und Autor, aber in erster Linie war er ein Stand-Up Comedian. In den Vereinigten Staaten macht man keinen Unterschied zwischen einem Comedian und einem Kabarettisten - hierzulande würde man ihn zu letzteren zählen, denn er war hochpolitisch und obendrein sehr bissig.

 

Seine Biographie kurz zusammengefasst: Er wurde 1937 in New York geboren. In der neunten Klasse flog er von der katholischen Schule und auch aus dem Messdiener-Amt. Während seiner Schulzeit erwarb er eine lebenslange Aversion gegen Religion im Allgemeinen und Katholizismus im Besonderen. Er trat der Air Force bei, war ab 1956 auch als DJ beim lokalen Radio tätig. Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee drei Jahre später, arbeitete er kurz bei einem Sender in Boston, endete aber bei einer Radiostation in Hollywood. Hier lernte er den texanischen Nachrichtensprecher Jack Burns kennen und gründete mit ihm 1960 ein Comedy-Duo. Erste Erfolge und ein Auftritt in der "Tonight Show", damals moderiert von Jack Paar, folgten. 1962 trennten sich Carlin und Burns. Letzterer wurde später Fernsehschauspieler und Drehbuchautor bei "The Muppet Show". George blieb dem Stand-Up bis ans Ende seines Lebens treu. 

 

Man muss in Zusammenhang mit ihm auch immer den Monolog "Seven Words You Can Never Say On TV" erwähnen, den er 1973 im Radio hielt und der zu einem landesweiten Skandal führte. Es ging um die Scheinheiligkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs und die sieben "schmutzigen Worte" shit, piss, fuck, cunt, cocksucker, motherfucker und tits. 1978 erging vom Obersten Gerichtshof der USA ein Auftrittsverbot für dieses Stück. Nach eigenen Angaben war es für George eines der größten Vergnügen seines Lebens, dass eben diese Liste von Begriffen vom Stenotypisten vor Gericht vorgetragen werden musste. Er umging das Verbot später immer wieder und wurde häufig dafür verhaftet. Die Aufhebung im Jahr 2010 erlebte er nicht mehr. 

 

George war ein Rebell mit messerscharfem Verstand und einem dreckigen Mundwerk, der nie Angst zeigte. Furchtlos attackierte er in krassester verbaler Manier die oberen Zehntausend, Politik, Religion, Kriegstreiber, frauenverachtende Männer, Abtreibungsgegner, planlose Umweltschützer, über-obsessive Eltern, Weicheier, Golfspieler, Befürworter der Todesstrafe. Niemand war vor ihm sicher. Mit gnadenloser Detailtreue pflückte er Euphemismen auseinander und legte ihre wahre Bedeutung zutage. Dabei bewies er eine Kenntnis der englischen Sprache, die ihresgleichen sucht. Er nannte die großen Zusammenhänge so genau beim Namen, dass einem manchmal das Lachen im Hals stecken blieb. Und er gab einem ausnahmslos immer viel zu viel zum Nachdenken mit auf den Weg. Er war klug und wohlüberlegt, brutal ehrlich in seinen Beobachtungen. Und er tat etwas, das die allermeisten Leute nicht tun - er dachte Dinge zu Ende. Obendrein scheute er sich nicht davor, seine gut fundierte Meinung auch denen ins Gesicht zu sagen, die sie betrafen.

 

Seine Wut trieb ihn zu beruflichen Hochleistungen. Wer aber hinter die Fassade der harten Worte blickt, erkennt einen Menschen mit hohen moralischen Werten, außerordentlicher Klugheit und früh von der Außenwelt verletztem Idealismus. Und man mehr als nur ahnen, warum er in Kirche und Armee nicht am richtigen Platz war. Er hat einmal in einem Interview gesagt, er wünschte, er sei kein soziales Wesen und könne sich von seiner Spezies scheiden lassen, um nur ein emotionsloser Beobachter der Menschheit sein zu können. Dann sei das Verstehen nicht so schmerzhaft, sondern hätte einen grandiosen Unterhaltungswert.

 

Ich wünschte, ich hätte diesen Mann einmal kennen lernen dürfen. Aber immerhin leben wir in einer Zeit, in der wir ihm dank Internet noch immer zusehen und -hören und von seiner Weisheit profitieren können.










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