Italienisch, liebenswert, galant


Sonnenuntergang im Garten
Sonnenuntergang im Garten

Ich bin ein Glückskind - denn ich habe bisher nur Italiener kennengelernt, die freundlich und warmherzig waren. Intelligent und mit offenem Geist. Humorvoll und im genau richtigen Maß zynisch, um ungeheuer witzig zu sein. Zuverlässig und alle gemachten Versprechen einhaltend. Großzügig und hilfsbereit. Geduldig mit denen, die gerade erst beginnen, ihre Sprache zu lernen. Ich höre oft, dass es auch die anderen geben soll. Diejenigen, die sich ganz genau entgegengesetzt verhalten. Sie sollen sogar in der Mehrheit sein. Ersteres glaube ich sofort, schließlich findet man Arschlöcher überall. Und allein die Existenz von Berlusconi belegt die Tatsache, dass auch in meinem gelobten Land zweifelhafte Gestalten existieren. Dass sie in der Überzahl sein könnten, kommt mir sehr unwahrscheinlich vor.

 

An dieser Stelle möchte ich von mehreren kleinen Episoden erzählen, die beweisen dass die Freundlichkeit der Einheimischen dieser Region weit über das hinaus geht, was in Italien im Allgemeinen als "bella figura machen" bekannt ist. Bei meiner ersten Reise hatte ich noch nicht allzu viel Kontakt mit Anwohnern. Ich bin überhaupt nur an den See gefahren, weil die Schwester meines damaligen Freundes 40 wurde und für alle geladenen Gäste für fünf Tage den Aufenthalt finanziert hat. Diese Familie war allerdings deutsch, und so war es auch der Kreis der Leute, der zu diesem Anlass erschien. Im Verlauf dieser paar Tage erwähnte die Gastgeberin, dass bereits einmal in das Haus eingebrochen worden sei. Nun habe sie Angst, es während ihres nächsten Sommerurlaubs leerstehen zu lassen. Ihr wäre wesentlich wohler, wenn jemand darin wohnen würde, während sie mit ihrer Familie weg sei. Ich beeilte mich zu sagen, dass ich dazu wohl bereit wäre - und schon hatte ich eine kostenlose Unterkunft für meine eigenen Ferienpläne. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen. Ich werde immer dafür dankbar sein, dass ich jeden Sommer in diesem Haus verbringen durfte, in dem die Familie noch in Italien wohnte. Diese Beziehung ging sogar über die weit hinaus, die ich mit dem Bruder hatte. Das finde ich noch heute genau so bemerkenswert wie die Tatsache, dass meine große Liebesgeschichte mit dem Lago Maggiore ihren Beginn der Großherzigkeit einer deutschen Familie verdankt. Die auch mal erwähnt hat, dass sie keine Fotos ihres Hauses online sehen möchte, daher oben nur ein Blick von der Terrasse auf den Sonnenuntergang.

 

Am Strand unterhalb der Villa Taranto in Intra
Am Strand unterhalb der Villa Taranto in Intra

Aber eigentlich möchte ich ja auch von den vielen Italienern sprechen, die über den Anfang hinaus dafür gesorgt haben, dass ich so viele Stücke meines Herzens an so unterschiedlichen Stellen meines Sees gelassen habe. Manchmal wurden aus diesen kurzen zufälligen Begegnungen lang anhaltende Freundschaften. Manchmal sah ich die Leute nie wieder, die so nachhaltig Eindruck auf mich machten. Aber jede dieser Begebenheiten hinterließ Spuren in meinem Bild von dieser Region und hüllte es oft in pinken Glitzer. Da waren zum Beispiel diese vier jungen Leute, die am Strand in meiner Nähe ein Barbecue machten und mir völlig überraschend einen Teller mit Fleisch, einen Becher und eine halbe Flasche Wein brachten.

 

Als ich mal meine Geldbörse - in der ich zum Glück nur Bares und keine Papiere verwahrte - verlor, half mir eine Frau danach zu suchen. Wir haben das gute Stück nicht gefunden, und ohne viel Federlesen drückte mir die Dame einen Zwanziger in die Hand. Als ich es ihr eine Woche später zurückzahlen wollte, weigerte sie sich, es anzunehmen.

 

Stresa
Stresa

An einen anderen Strand war dieser Mann, der sich eine Weile mit mir unterhielt, von der Idee meines Buches ganz begeistert war und mir eine Landkarte mit dem Weg zu einer Ruine in mein Reisetagebuch zeichnete. Danach verabschiedete er sich, kehrte aber bald zurück - um mir ein mächtig teures Hochglanzmagazin zu bringen, in dessen Impressum sich die Geschäftsadresse eines bekannten Verlegers befand. Der Fremde sagte mir, ich solle dort zu gegebener Zeit mein Manuskript einreichen und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

 

Da war dieser späte Nachmittag, an dem ich den Feierabend der Seilbahn verpasst hatte und mich nun per pedes aufmachte, den 23 Kilometer langen Weg vom Gipfel des Monte Mottarone zum nächsten Hafen zu bewältigen. Aber schon die Ersten, die in einem Auto an mir vorbei fuhren, hielten an und ich wurde lächelnd gefragt, ob ich willentlich auf Wanderschaft sei oder lieber an den See gebracht werden wolle. So kam ich auch noch pünktlich zum letzten Schiff, das an dem Abend fuhr.

 

Blick vom Mottarone auf die Isola Superiore Dei Pescatori
Blick vom Mottarone auf die Isola Superiore Dei Pescatori

Ich hatte einen Bekannten, der schon am Anfang unseres ersten Treffens versprach, mich noch einmal auf genau diesen Berg zu bringen. Zum Sonnenuntergang. Und auch, um die hereinbrechende Nacht von diesem besonderen Aussichtspunkt zu beobachten. Es stellte sich heraus, dass wir uns nicht wirklich viel zu sagen hatten. Hätte er nicht dieses Versprechen gegeben, wir hätten uns nicht noch einmal getroffen. Aber er hielt Wort, fuhr mit mir auf den Gipfel und war während der gesamten Zeit angenehm freundlich und unverkrampft. So kam ich doch noch zu Bildern wie diesem.

 

Außerdem muss noch unbedingt der freundliche alte Herr genannt werden, mit dem ich auf einer Bank über einem Stück leeren Strand ins Gespräch kam, das mit einem verschlossenen Tor als Privatgrundstück gekennzeichnet war. Ich erwähnte, wie schade es sei, dass alle öffentlichen Badeplätze an dem Tag so überlaufen seien. Ich hatte nämlich Angst, meine Kamera unter Hunderten von Leuten liegen zu lassen und schwimmen zu gehen. Woraufhin er mir erklärte, dieser private Uferabschnitt sei seiner. Mehr aus Neugier denn in der Erwartung, mir das tatsächlich leisten zu können, fragte ich, ob er ihn gelegentlich vermiete. Er zwinkerte mir zu und fragte, ob ich an den Preis für Touristen oder an den Freundschaftspreis gedacht hätte. Ich wählte letzteren, den er mit drei Euro pro Stunde angab. Und so kam es, dass ich für einen Zehner einmal im Leben in den Genuss kam, einen Privatstrand für dreieinhalb Stunden mein eigen zu nennen. Was ich sehr un-damenhaft abfeierte, indem ich eine kleine Weile "Leckt mich am Arsch, ich hab meinen eigenen Strand" in Richtung des voll belegten Ufers von Stresa sang.

 

Natürlich ist dieser Beitrag nur ein winziger Teil meiner Sammlung von Anekdoten rund um die italienische Fremdenfreundlichkeit. Da gibt es noch dutzende andere. Und es fehlen nun doch auch die Geschichten über diejenigen, die ich immer wieder sehe und mit denen mich mehr oder weniger intensive Freundschaften verbinden. Sie verdienen einen eigenen Eintrag und werden ihn auch noch an anderer Stelle bekommen.



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